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Heute mal nicht – Corona und das Leid mit den Home-Workouts

„Ruhetag ja? Ruhetag nein?“ – Das war nicht nur eine politische Debatte, sondern auch das Alltagsdilemma unserer Redaktionsmitglieder. Natürlich kann man zu Hause Sport machen – muss man aber nicht. Wie es Redakteurin Laureen und dem Redaktionsteam erging, ist gesellschaftlich natürlich nicht so heiß debattiert, kann euch aber Mut machen und den Druck nehmen: Niemand muss (aber jeder darf) während der Pandemie zum Home-Workout-Pro werden.

„Ich bin schon zum Supermarkt gegangen“- rede ich mir munter ein und verzichte heute mal auf das Workout in meinen eigenen vier Wänden. Dieses Szenario spielt sich bei mir in einer Zeit ab, in der die Fitnessbranche – zumindest die, die ihre Angebote für zu Hause anbieten kann – boomt. Allein in den USA ist der Verkauf von Fitness-Equipment um 55% gestiegen. Ich mache vermutlich eher 55% weniger Sport, seit die Schwimmbäder und die Universitätssporthalle geschlossen haben. Auch Fitness- und Ernährungs-Apps verzeichnen rasant gestiegene Download-Zahlen. Aber Yoga entspannt mich nicht, nach der Uni vorm Bildschirm brauche ich nicht unbedingt Zoom-Sport und Hampelmänner, Squads und Co mache ich nur gern in großer Gruppe, bei lauter Musik, während mir parallel die Trainerin oder der Trainer gut zuredet. „Du schaffst das!“ – ja, das sagt daheim nämlich niemand.

Workout zu Hause birgt auch Gefahren

Trotzdem haben bereits jetzt schon einige Fitness-Studios und Sport-Center Angst, dass nach dem Lockdown die Kundinnen und Kunden ausbleiben. Wer einmal in ein Home-Studio investiert hat, bleibt dort erstmal. Für andere Sportler:innen hingegen fehlt die soziale Komponente des Sports. Letzterem kann auch Simone, Sportstudentin der Universität Bielefeld, zustimmen: „Es gibt sicherlich Menschen, die alleine bessere Leistungen erzielen können, aber ein großer Teil von Sport ist auch das soziale Miteinander – die Gruppendynamik. Das stärkt die Psyche und die Motivation.“ Sie selbst trainiert, seit sie 14 Jahre alt ist, zu Hause. Das war weit vor der Pandemie und den geschlossenen Sportstätten. „Besonders für Anfängerinnen und Anfänger ist das Training zu Hause optimal. Man braucht kein Equipment und schließt keine kostenpflichtigen Verträge ab.“ Die Sportstudentin warnt aber auch vor den Gefahren des Workouts allein, denn wenn keiner die Haltung und Ausführung kontrolliert, kann das zu körperlichen Problemen führen: „Am besten macht man alleine immer vor einem Spiegel Sport. So kann man sich selbst kontrollieren.“

„Ich fand es irgendwie praktisch. Man konnte den Sport gut in den Alltag integrieren, weil man nirgendwo hinfahren musste und nicht zahlt, aber deswegen war natürlich auch die Hemmschwelle größer.“ (Anna-Sophie)

Im Sommer noch fröhlich durch das Thüringer Land geradelt und auf der Wiese Uni-Sport gemacht – zwischen kleinen Steinchen und Ameisen – und dann kam der Winter. Kalt. Keine Ameisen und Steinchen mehr, aber dafür Hausstaub, mein Zimmer und die unüberwindbare Hemmschwelle. Übrigens: Bei so einer Plank sieht man gut unter Schränke, Tische und Betten und kann schonmal eine Liste schreiben, wo  man demnächst vielleicht akribischer fegt und wischt. Nur während ich am Putzplan arbeite, kann ich mich leider nicht so gut auf den Sport konzentrieren.

„Ich habe mit meinen Geschwistern zusammen immer verschiedenste Fitness-YouTuber angeschaut und probiert.  Meistens hat man dabei eher gemerkt, wie unfit man eigentlich ist.“ (Johanna)

Eine weitere boomende Branche: Fitness-YouTuber:innen. Mein heimlicher Star der Pandemie sind aber die kleinen, ländlichen Sportvereine, die seit Jahrzehnten existieren und jetzt mutig mit ihrer gesamten Truppe Sport per Zoom ausprobieren. Das zeigt wieder einmal, wie wichtig diese Vereinsstrukturen für das soziale Miteinander sind.

„Mittlerweile kann ich mich nicht mehr motivieren und das stresst mich total, weil ich ja theoretisch einfach Sport von zu Hause machen könnte, ich mich aber einfach nicht aufraffen kann.“ (Lena)

Sport alleine, in den eigenen vier Wänden – das ist nicht für jeden etwas und das ist wirklich in Ordnung. Sport soll in erster Linie gut tun und nur weil Instagram und Co zeigen, dass Sport jetzt immer und überall möglich ist, muss man nicht immer und überall Sport machen.  Just do it – aber so einfach ist es leider nicht.

Laureen

Huhu, ich bin Laureen und studiere Internationale Beziehungen und Kommunikationswissenschaften hier in Erfurt. Medial begleiten mich hauptsächlich Podcasts über Politik und Zeitgeschehen und in einer ruhigen Minute schaue ich auch gerne in die Zeitung. Neben dem Studium bin ich selbsterklärte Expertin für medialen Gossip und den Eurovision Song Contest.