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So machst du Medien: Interview mit einem Journalist

Produzent, Dozent, Journalist und Wissenschaftler, wie passt das eigentlich alles zusammen?

Schon mit 16 begann Henryk Balkow für die Schülerzeitung zu schreiben – heute mit 38 hatte er noch nie eine Festanstellung. Er beschreibt seinen beruflichen Werdegang selbst als chaotisch und arbeitet mittlerweile als freier Journalist, sowie als Dozent an verschiedenen Einrichtungen, um jungen Menschen beizubringen, wie man journalistisch arbeitet.

Nebenbei betreut er seine eigene Agentur „Feuerköpfe – die Marke der Medienmacher“, die dafür sorgt, dass Ideen in erfolgreiche Medienprojekte verwandelt werden. Außerdem ist er seit 1998 für Junge Medien Thüringen e.V. ehrenamtlich engagiert.

In unserem Interview geht es jedoch hauptsächlich um den Journalisten in Henryk Balkow.

Wie bist du zu deinem Beruf gekommen?

Tatsächlich durch die Arbeit in der Redaktion bei der „Thüringer Allgemeinen“.Diese Redaktionsabläufe: sich morgens treffen, die Zeitung des Vortages auswerten, Termine pitchen, seine Ideen vorschlagen, verteidigen und da dann eine Story draus machen, das hat mir einfach gefallen. Als freier Journalist ist das immer etwas Anderes, da entstehen dann manchmal auch durch Zufall plötzlich Aufträge. Auf einmal macht man ein Musikvideo, auch wenn man das vorher noch nie gemacht hat. Oder einen Imagefilm, oder man schreibt als Ghostwriter für einen Bankchef einen Buchbeitrag.

Man wird sehr flexibel, weil man viele verschiedene Sachen lernt, das heißt nicht, dass man in allem perfekt ist, aber man kriegt so unglaublich viele Einblicke und lernt so unglaublich viel, dass man sich dann immer wieder neu orientiert und mit neuen Teams arbeiten kann.

Das ist aber auch so in dem Beruf angelegt, dass die wenigsten fest angestellt sind. Inzwischen arbeiten immer mehr Leute als Freelancer und wenn du gut bist kriegst du auch immer genug Aufträge, um davon zu leben.

Welche Ausbildung oder welches Studium benötigt man für den Beruf?

Also Journalismus ist ja erstmal so eine Schlüsselkompetenz, die lernst du ja durch Praxis. Du kannst über alles schreiben. Du kannst auch Biochemie studieren und dann für eine Fachzeitschrift die Vorgänge übersetzen. Journalisten müssen ja komplexe Dinge verstehen und für eine bestimmte Leserschaft dann auch verständlich aufbereiten. Deswegen kannst du im Prinzip fast alles machen und das mit Journalismus verbinden. Egal ob du jetzt einen Fashionblog aufbaust, dich mit Autos beschäftigst, oder dich für die große Weltpolitik interessierst. Ich würde unbedingt etwas studieren, für das du dich interessierst und das journalistische immer nebenbei machen. Dann ergibt sich meistens auch etwas, wenn man diese beiden Kompetenzen miteinander verbindet.

Ich habe Staatswissenschaften studiert, weil das natürlich gewisse Grundlagen sind, wenn du im Journalismus viel im Bereich Politik oder Wirtschaft machst. Du musst das einfach verstehen. Staatswissenschaft war einfach für mich damals ein guter Studiengang, um Wirtschaft, Recht und Soziales miteinander zu verbinden.

Wie sieht der Produktionsprozess bis hin zu einem fertigen Beitrag aus?

Naja gut das ist unterschiedlich, also je nachdem wo du arbeitest. Bei der Nachrichtenagentur hast du sehr wenig Zeit, weil einfach die Konkurrenz nicht schläft. Da müssen News halt relativ schnell produziert und verbreitet werden. Ich habe aber auch Kollegen, die arbeiten bei der „Zeit“, einer Wochenzeitung, wo einer jetzt seit zwei Jahren an einem Thema dran ist und sehr viel Zeit mit den Protagonisten verbringt. Das ist dann eine ganz andere Qualität. Das finde ich persönlich auch sehr schön, das hätte ich auch gerne gemacht. Da habe ich mich ein bisschen geärgert, dass ich damals nicht diesen Weg verfolgt habe.

Es ist also eine Frage des Mediums bei dem du arbeitest, wie viel Zeit es dir gibt und auch, was die Leser bereit sind dafür zu zahlen.

Gute Qualität im Journalismus braucht Zeit und Geld.

Wann ist ein Beitrag wirklich ein guter Beitrag?

Ein Punkt ist natürlich, dass man ein Thema gefunden hat, was relevant ist und was eine gewisse Exklusivität hat. Wir sprechen auch von Storytelling, eine Story zu finden, die überrascht, berührt, die einen Horizont verschiebt, die in mir irgendwas auslöst. Das finde ich schon sehr wichtig.

Und es muss wahr sein. Es ist wichtig, dass man auch ein sehr enges Verhältnis zur Gerechtigkeit und Wahrheit hat und sich dafür auch die notwendige Zeit nimmt.

Außerdem muss man sorgfältig arbeiten. Es gibt Dinge, die würde ich einfach nicht vom Telefon aus oder übers Internet recherchieren, sondern da ist es mir wichtig, dass ich vor Ort bin und Zeit mitbringe. Da komme ich wieder auf den Kollegen von der „Zeit“ zurück. Als wir im Kinderhospiz Dokumentarfilme gedreht haben, hat er dann einfach alles beiseitegelegt und hat mit den Familien Pizza gemacht. Er saß einfach mit den Leuten da und hat sich mit ihnen unterhalten. Da hat sich nicht alles um ihn gedreht, den großen Reporter von der „Zeit“. Der hat sich ganz dezent miteingefügt. Das finde ich schön. Das ist für mich auch der Anspruch an einen guten Artikel, dass man die Wahrheit abbildet und nicht irgendwas Zusammengestelltes.

Ist es empfehlenswert sich als Journalist zu spezialisieren?

Nein, würde ich nicht sagen.

Wenn du ein gutes Allgemeinwissen hast, dann kannst du in den klassischen Ressorts arbeiten, egal ob jetzt Wirtschaft, Politik oder so.

Man kann sich in viele Themen relativ schnell einarbeiten. Du lernst, wenn du geisteswissenschaftliche Studiengänge studierst, auch grundsätzlich eine flexible Denkhaltung.

Also es gibt beide Möglichkeiten, entweder du spezialisierst dich und gehst in die Nische oder du gehst ins ganz große Becken, aber dann musst du eben auch gute Schwimmflügel haben. Da sollte man dann auch entsprechend geisteswissenschaftlich studiert haben und ein gewisses Allgemeinwissen haben. Das bedeutet auch, selbst viel zu lesen.

Ich kann nicht, wenn ich selbst keine Zeitung lese, keine qualitativ guten Medien konsumiere und nicht auf dem Laufenden bin, als Journalist arbeiten. Ich muss ein Interesse daran haben, was in der Welt passiert.

Was sollte man als junger Mensch für den Job mitbringen?

Der Satz kommt jetzt nicht von mir, der ist von Professor Haller, einem großen deutschen Journalisten, der hat immer so schön gesagt „Neugier und Skepsis“. Das ist eigentlich das Wichtigste. Die Neugier treibt dich an und die Skepsis bremst dich an den richtigen Stellen. Denn man findet auch schnell irgendwo ein Thema total geil und merkt dann manchmal gar nicht, dass man ein bisschen betriebsblind geworden ist.

Deswegen ist Skepsis auch wichtig weil, wenn dir irgendjemand Informationen zuträgt, dann hat derjenige auch irgendwie eine Intention dahinter. Das macht den Beruf auch manchmal zu einer Art Polizeiarbeit. Das ist dann wie so ein Kommissar, der einen Fall löst, wo man auch immer aufpassen muss, welcher Zeuge dir was erzählt.

Was macht dir persönlich an diesem Beruf am meisten Spaß?

Neue Menschen und Horizonte zu entdecken. Und dass jeder Tag anders ist. Neben meiner Tätigkeit als Dozent habe ich schon Schwierigkeiten, Prioritäten zu setzen. Aber es ist ein unglaublich schöner Job, weil man eben so viel entdeckt. Die Welt ist groß, es gibt so viele interessante Menschen und Geschichten und das jeden Tag aufs Neue entdecken zu können, keine normale Routine zu haben, finde ich einfach toll an dem Job.

Gibt es ein Ziel, dass du in deinem Beruf noch erreichen möchtest?

Als ich angefangen habe als Journalist dachte ich, ich könnte damit die Welt verändern. Man startet meistens mit einem gesunden Idealismus, der sich dann der Realität stellen muss. Ich muss zugeben, vor ein paar Jahren dachte ich, das war es gewesen. Der Journalismus wurde in Deutschland auch mehr oder weniger todgesagt. Aber ich glaube und da muss man und das sage ich nur sehr ungerne, Donald Trump dankbar sein. Der hat mit seiner unglaublich dreisten Art, die Demokratie und die Pressefreiheit anzugreifen und den Fake News, etwas losgetreten, wovon wir Journalisten profitieren. Nämlich, dass die meisten Leser und User, nicht alle leider, sich wieder dem Qualitätsjournalismus widmen und dafür auch bereit sind etwas zu bezahlen.

Das heißt, es gibt doch noch eine Hoffnung, aber man kann mit dem was man schreibt nicht immer gleich die Welt verändern. Und da muss man realistisch bleiben. Man kann die Menschen aufklären, aber handeln müssen sie immer noch selbst.

Deswegen bin ich auch in die Bildung gegangen, weil ich gemerkt habe, wenn du das Handeln der Menschen verändern willst, musst du in die Bildung.

Also als Journalist versuche ich die Leute aufzuklären und in der Bildung versuche ich ihnen zu helfen das umzusetzen.

Hast du einen Tipp, den du jungen Menschen, die deinen Beruf erlernen möchten, gerne geben würdest?

Auf jeden Fall Hartnäckigkeit. Man braucht wirklich ein Durchhaltevermögen. Und Mut, weil man eben nicht diese Sicherheit hat. Klar man kann irgendwo eine Festanstellung kriegen, aber die ist auch nie sicher.

Man darf keine Angst vor Veränderungen haben, die Medienbranche ist ständig im Wandel und wie gesagt jeder Tag ist anders.

Also man braucht Hartnäckigkeit, Mut und gute Kontakte.

Man sollte einfach super vernetzt sein und seine Mitmenschen, mit denen man zusammenarbeitet respektvoll behandeln.

Im Überblick: der Weg in den Journalismus

  • zahlreiche Einstiegsmöglichkeiten, auch als Querensteiger
  • die Bezeichnung Journalist ist nicht geschützt, du darfst dich als solcher bezeichnen, sobald du einer journalistischen Tätigkeit nachgehst
  • du solltest dir aber in jedem Fall die Grundtechniken eines Journalisten aneignen
  • eine Möglichkeit ist es, den Studiengang Journalismus an einer Universität zu besuchen
  • du kannst dich auch direkt an einer Journalistenschule bewerben, viele arbeiten auch direkt mit Redaktionen und Verlagen zusammen
  • eine andere Möglichkeit ist es, einen anderen Studiengang frei nach Interesse zu wählen und später als Spezialist Fachtexte zu verfassen
  • ein Studium ist jedoch nicht zwingend notwendig
  • ebenso kannst du dein Ziel mit Praktika, Volontariaten und als freier Journalist erreichen
  • außerdem ist es hilfreich, wenn du viele Referenzen zu bieten hast und auch selbst früh kreativ tätig wirst

Lucie

Erfurt ist meine zweite Heimat, ich liebe es, den Sommer dort bei meiner Familie zu verbringen. Wenn ich nicht gerade Artikel schreibe oder diverse andere kreative Ideen umsetze, schaue ich leidenschaftlich gerne Motorsport jeglicher Art und ohne Musik geht bei mir sowieso gar nichts. Deutsch- und Amirap höre ich fast 24/7.